17. Mai 2008

Politik


Interview
"Bedrohung für die Demokratie"
Aktivistin Shiva ist empört, dass sich die Staatengemeinschaft nicht auf ein Haftungsregime für Schäden durch die Agro-Gentechnik geeinigt hat
Aktivistin Shiva ist empört, dass sich die Staatengemeinschaft nicht auf ein Haftungsregime für Schäden durch die Agro-Gentechnik geeinigt hat

Frau Shiva, die UN-Konferenz über biologische Sicherheit hat sich nicht auf verbindliche Regelungen über Haftung und Wiedergutmachung bei Schäden durch gentechnisch veränderte Organismen einigen können. Sind Sie darüber enttäuscht?

Ich bin empört über das fehlende Verantwortungsbewusstsein auf Seiten der Regierungen und ihrer Hintermänner in der Industrie in Bezug auf die Sicherheit aller Erdenbürger. Ich sehe dieses Versagen als eine große Bedrohung für die Demokratie. Es gab dort eine wohlkalkulierte Kampagne, sozio-ökonomische Tatbestände hätten nichts zu tun mit biologischer Artenvielfalt. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. Die gegenwärtige Nahrungsmittelknappheit wird zum erheblichen Teil auch durch die Monokulturen der genmanipulierten Landwirtschaft verursacht, die die Kapazität zur Nahrungsmittelerzeugung schmälert.

Welche Botschaft bringen Sie aus Indien an den Rhein?

In Indien spüren wir, dass das falsche Versprechen einer auf fossilen Energiequellen beruhenden industriellen Landwirtschaft, eines genetisch manipulierten Saatgutsystems, eines Patentmonopols auf Saatgut direkt in ein ökologisches und menschliches Verderben führt. Die neue Nahrungskrise ist ein direktes Resultat der Politik der vergangenen fünf Jahre. In diesem Zeitraum haben sich allein in Indien 200 000 verschuldete Farmer das Leben genommen.

Ist die moderne Landwirtschaft am Ende?

Davon bin ich fest überzeugt. Dieses Modell basiert auf der Annahme einer nahezu unbegrenzten Versorgung mit Mineralöl, aus dem chemischer Dünger und auch Pestizide gewonnen werden. Dieser Traum ist ausgeträumt. Wir beobachten, wie hochpreisiges Öl zu hochpreisigen Nahrungsmitteln führt. Wenn der Ölpreis weiter steigt, wird die industrielle Landwirtschaft unrentabel. Zudem wissen wir, dass die massenweise auf die Felder aufgebrachten Chemikalien einen nicht unerheblichen Anteil am Ausstoß klimaschädlicher Gase haben. Wir müssen zurück zur biologischen Artenvielfalt.

Nächste Woche findet die neunte Vertragsstaatenkonferenz der internationalen Konvention zum Erhalt der biologischen Artenvielfalt statt. Welche Hoffnungen verbinden Sie damit?

Ich möchte den Delegierten sagen: Schaut her, unsere Bewegung hat eine Alternative geschaffen, die funktioniert. Wir betreiben Bauernhöfe, die ganz ohne fossile Stoffe auskommen und nicht zum Klimawandel beitragen. Daher sind wir auch vom Anstieg des Ölpreises relativ abgeschottet. Und besonders: unsere biologische Artenvielfalt produziert mehr Lebensmittel, gesündere Lebensmittel. Die Konvention zum Schutz der biologischen Artenvielfalt ist nun fast zwanzig Jahre alt, aber immer noch ohne Biss. Der Hunger wächst, fossile Brennstoffe neigen sich dem Ende zu, das Gensaatgut erfüllt seine Versprechen nicht. Ich denke, es ist an der Zeit, dass die Delegierten die biologische Artenvielfalt als das respektieren, was sie ist: die einzig verlässliche Basis für eine nachhaltige Wirtschaft, die uns eine Hungerkatastrophe und eine Klimakatastrophe vermeiden helfen kann.

Was bedeutet das Versagen der Konferenz über biologische Sicherheit?

Es gibt zwei Faktoren, die den Schaden begrenzen helfen. Zum einen gibt es viele Experimente, mehr Nahrungsmittel mithilfe von Artenvielfalt zu erzeugen. Außerdem hat ein neuer UN-Bericht zur Technologie-Bewertung in der Landwirtschaft gezeigt, dass artenreiche, ökologische Landwirtschaft ertragreicher ist. Der Bericht kommt zum Ergebnis, dass genmanipuliertes Saatgut seine Versprechen nicht hält. In wenigen Wochen werden die UN in Rom über Lösungen für die neue Nahrungskrise beraten. Und dann wird es einen weiteren Wettstreit geben: Wie wird die Nahrung der Zukunft am besten erzeugt?

Interview: Rainer Hörig

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Dokument erstellt am 16.05.2008 um 17:44:02 Uhr
Letzte Änderung am 16.05.2008 um 20:03:06 Uhr
Erscheinungsdatum 17.05.2008

 

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