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Umwelt und Landwirtschaft
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8.7.2004
Bio-Piraterie mit Reis-Saatgut
Vandana Shiva streitet gegen Biopiraterie und Gentechnik in der Landwirtschaft
Von Rainer Hörig

Reisernte in China (Foto: AP Archiv)
Reisernte in China (Foto: AP Archiv)
Ich werde wütend, wenn Leute behaupten, sie hätten neues Leben erfunden. Was für ein Frevel! Patente auf Lebensformen stellen ein Attentat auf den natürlichen Artenreichtum dar, den wir Menschen doch zum Überleben brauchen. Wenn es nach bestimmten Konzernen ginge, würde unsere Landwirtschaft bald auf fünf, sechs Sorten reduziert. Die Gentechnik verletzt auch die Prinzipien der Gerechtigkeit, denn sie führt zur Versklavung der Bauern!

Vandana Shiva gilt als eine der profiliertesten Kritikerinnen von Biopiraterie und Gentechnik in der Landwirtschaft. In New Delhi und Manila streitet sie für die Kleinbauern des Südens, in Prag und Washington demonstriert sie gegen Weltbank und das internationale Agrarbusiness. Eine füllige, leicht ergraute Dame in den Fünfzigern, die ihre Worte mit temperamentvollen, typisch indischen Gesten untermalt. Früher studierte sie Quantenphysik und schrieb ihre Doktorarbeit an der Universität von Toronto, Kanada. In ihrer Heimat, den Vorbergen des Himalaya, wurde sie von Dorffrauen für den Erhalt der Natur gewonnen. Heute leitet sie drei Bürgerinitiativen, berät Politiker und Frauengruppen, arbeitet in nationalen und internationalen Kommissionen mit. Für ihr Engagement wurde sie unter anderem mit dem alternativen Nobelpreis und dem "Orden der Goldenen Arche" des niederländischen Königshauses ausgezeichnet. Mit international koordinierten Kampagnen geht sie gegen so genannte Biopiraten vor - Firmen, die sich Patente auf exotische Tiere und Pflanzen sichern, etwa auf den in Vandana Shiva's Heimat gezüchteten, hoch-aromatischen Basmati-Reis.

Das Aroma ist nicht allein auf genetische Eigenschaften zurückzuführen. Es entsteht erst im Zusammenspiel mit den spezifischen Umweltbedingungen in den Tälern des Himalaya. In den Ebenen angebaut entwickelt unsere Basmati-Saat längst nicht dasselbe Aroma. Und dann kommt eine amerikanische Firma auf die Idee und deklariert diesen Reis und dieses Aroma als ihre Erfindung! Ich alarmierte die indische Regierung und reichte Klage beim Obersten Gerichtshof des Landes ein. Später starteten wir eine Protestkampagne im Internet. Ich reiste nach Texas und gewann viele Unterstützer. Wir marschierten zum Hauptquartier von Rice-Tech und machten unserem Protest Luft. Schließlich musste das US-Patentamt das Rice-Tech-Patent widerrufen.

Vandana Shiva klagt die Biopiraten an, die Ärmsten der Armen ihres Wissens und ihrer Ressourcen zu berauben und sich selbst zum alleinigen Inhaber dieser Errungenschaften zu erheben. Durch teures, genmanipuliertes Saatgut, das sterile Samen produziert, so dass immer wieder neues Saatgut gekauft werden muss, versuchten Agrarmultis, die Bauern im Süden zu versklaven. Vandana Shiva sieht ihre Kampagnen gegen Agrarchemie und Gentechnik in der Tradition des indischen Freiheitskampfes, etwa gegen das britische Salzmonopol.

Mahatma Gandhi marschierte zum Strand von Dandi, schöpfte das Salz und sagte: Die Natur stellt es umsonst bereit, wir brauchen es zum Überleben, daher werden wir das britische Salzgesetz nicht befolgen. Meine Mitarbeiter veranstalten jährlich eine Saatgut-Aktion und erklären: Die Natur stellt Saatgut kostenfrei zur Verfügung, unsere Ahnen haben es gezüchtet. Es ist unsere Pflicht, es zu bewahren. Schließlich brauchen wir es zum Leben. Sorry, wir werden Eure Patentgesetze nicht befolgen.

Eine halbe Autostunde außerhalb ihrer Heimatstadt Dehra Dun unterhält Vandana Shiva eine große Farm, die sie bio-organisch bewirtschaftet. Ein integriertes wissenschaftliches Institut untersucht die Auswirkungen von Globalisierung und Gentechnik auf die Landwirtschaft. Die Organisation Navdanya hütet hier eine Sammlung von mehr als siebenhundert traditionellen, von der Grünen Revolution verdrängten Pflanzensorten.

Navdanya war meine Antwort auf das weltweite Freihandelsabkommen, auf WTO und Saatgut-Monopole. Navdanya steht für konstruktiven Widerstand. Konstruktiv, weil Navdanya das Bewahren von Saatgut und die organische Landwirtschaft fördert. Widerstand, weil jeder Farmer, der bei Navdanya Mitglied wird und sein Saatgut einbringt, folgendes Gelöbnis ablegt: Ich betrachte dieses Saatgut, das ich von Mutter Erde und unseren Ahnen geerbt habe, als Geschenk, das ich für kommende Generationen hüten muss. Ich bekenne mich zur Tradition des Teilens, durch die mir diese Samen anvertraut wurden. Ich gelobe, mich nie mit Gesetzen einverstanden zu erklären, die das Bewahren und den Austausch von Saatgut zu strafbaren Handlungen erklären!
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