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Umwelt & Landwirtschaft Montags - Freitag • 11:35 |
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8.7.2004
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Bio-Piraterie mit Reis-Saatgut
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Vandana Shiva streitet gegen Biopiraterie und Gentechnik in der Landwirtschaft
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Von Rainer Hörig
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 Reisernte in China (Foto: AP Archiv)
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Ich werde wütend, wenn Leute behaupten, sie hätten neues Leben erfunden.
Was für ein Frevel! Patente auf Lebensformen stellen ein Attentat auf den
natürlichen Artenreichtum dar, den wir Menschen doch zum Überleben brauchen.
Wenn es nach bestimmten Konzernen ginge, würde unsere Landwirtschaft bald
auf fünf, sechs Sorten reduziert. Die Gentechnik verletzt auch die Prinzipien
der Gerechtigkeit, denn sie führt zur Versklavung der Bauern!
Vandana Shiva gilt als eine der profiliertesten Kritikerinnen von Biopiraterie
und Gentechnik in der Landwirtschaft. In New Delhi und Manila streitet sie
für die Kleinbauern des Südens, in Prag und Washington demonstriert sie gegen
Weltbank und das internationale Agrarbusiness. Eine füllige, leicht ergraute
Dame in den Fünfzigern, die ihre Worte mit temperamentvollen, typisch indischen
Gesten untermalt. Früher studierte sie Quantenphysik und schrieb ihre Doktorarbeit
an der Universität von Toronto, Kanada. In ihrer Heimat, den Vorbergen des
Himalaya, wurde sie von Dorffrauen für den Erhalt der Natur gewonnen. Heute
leitet sie drei Bürgerinitiativen, berät Politiker und Frauengruppen, arbeitet
in nationalen und internationalen Kommissionen mit. Für ihr Engagement wurde
sie unter anderem mit dem alternativen Nobelpreis und dem "Orden der Goldenen
Arche" des niederländischen Königshauses ausgezeichnet. Mit international
koordinierten Kampagnen geht sie gegen so genannte Biopiraten vor - Firmen,
die sich Patente auf exotische Tiere und Pflanzen sichern, etwa auf den in
Vandana Shiva's Heimat gezüchteten, hoch-aromatischen Basmati-Reis.
Das Aroma ist nicht allein auf genetische Eigenschaften
zurückzuführen. Es entsteht erst im Zusammenspiel mit den spezifischen Umweltbedingungen
in den Tälern des Himalaya. In den Ebenen angebaut entwickelt unsere Basmati-Saat
längst nicht dasselbe Aroma. Und dann kommt eine amerikanische Firma auf
die Idee und deklariert diesen Reis und dieses Aroma als ihre Erfindung!
Ich alarmierte die indische Regierung und reichte Klage beim Obersten Gerichtshof
des Landes ein. Später starteten wir eine Protestkampagne im Internet. Ich
reiste nach Texas und gewann viele Unterstützer. Wir marschierten zum Hauptquartier
von Rice-Tech und machten unserem Protest Luft. Schließlich musste das US-Patentamt
das Rice-Tech-Patent widerrufen.
Vandana Shiva klagt die Biopiraten an, die Ärmsten der Armen ihres Wissens
und ihrer Ressourcen zu berauben und sich selbst zum alleinigen Inhaber dieser
Errungenschaften zu erheben. Durch teures, genmanipuliertes Saatgut, das
sterile Samen produziert, so dass immer wieder neues Saatgut gekauft werden
muss, versuchten Agrarmultis, die Bauern im Süden zu versklaven. Vandana
Shiva sieht ihre Kampagnen gegen Agrarchemie und Gentechnik in der Tradition
des indischen Freiheitskampfes, etwa gegen das britische Salzmonopol.
Mahatma Gandhi marschierte zum Strand von Dandi, schöpfte
das Salz und sagte: Die Natur stellt es umsonst bereit, wir brauchen es zum
Überleben, daher werden wir das britische Salzgesetz nicht befolgen. Meine
Mitarbeiter veranstalten jährlich eine Saatgut-Aktion und erklären: Die Natur
stellt Saatgut kostenfrei zur Verfügung, unsere Ahnen haben es gezüchtet.
Es ist unsere Pflicht, es zu bewahren. Schließlich brauchen wir es zum Leben.
Sorry, wir werden Eure Patentgesetze nicht befolgen.
Eine halbe Autostunde außerhalb ihrer Heimatstadt Dehra Dun unterhält
Vandana Shiva eine große Farm, die sie bio-organisch bewirtschaftet. Ein
integriertes wissenschaftliches Institut untersucht die Auswirkungen von
Globalisierung und Gentechnik auf die Landwirtschaft. Die Organisation Navdanya
hütet hier eine Sammlung von mehr als siebenhundert traditionellen, von der
Grünen Revolution verdrängten Pflanzensorten.
Navdanya war meine Antwort auf das weltweite Freihandelsabkommen,
auf WTO und Saatgut-Monopole. Navdanya steht für konstruktiven Widerstand.
Konstruktiv, weil Navdanya das Bewahren von Saatgut und die organische Landwirtschaft
fördert. Widerstand, weil jeder Farmer, der bei Navdanya Mitglied wird und
sein Saatgut einbringt, folgendes Gelöbnis ablegt: Ich betrachte dieses Saatgut,
das ich von Mutter Erde und unseren Ahnen geerbt habe, als Geschenk, das
ich für kommende Generationen hüten muss. Ich bekenne mich zur Tradition
des Teilens, durch die mir diese Samen anvertraut wurden. Ich gelobe, mich
nie mit Gesetzen einverstanden zu erklären, die das Bewahren und den Austausch
von Saatgut zu strafbaren Handlungen erklären!
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